Meine Erinnerungen

Ich schreibe zum ersten Mal über meine Erfahrungen. Ihr seit die ersten, die von meiner Geschichte hören. Ich spreche bis heute nicht über diese Erlebnisse. Mit niemandem. Auch habe ich lange Zeit meinen Eltern verheimlicht, was mit widerfahren ist. Es fing in der 6.Klasse an. Fast ganz harmlos. Eine Streiterei im Sportunterricht. Nichts ungewöhnliches möchte man sagen. Leider hatte ich mich mit dem Falschen eingelassen. Er war schon 2x sitzen geblieben und niemand traute sich etwas gegen ihn zu sagen. Er hatte ein paar Leute um sich gescharrt, die ihm willig folgten. Ich weiß gar nicht mehr wie es dann genau weiter ging. Ich wurde mehrmals auf dem Schulweg von ihm und seiner Bande angriffen. Beim ersten Mal wurde ich nur bespuckt und sie waren auch nur zu zweit. Und niemand hat mir geholfen, obwohl sie es alle gesehen haben. Es hat sich wohl niemand getraut. Dies war auch der Zeitpunkt, an dem meine Eltern von all dem etwas mitbekommen. Ich habe noch versucht alles zu vertuschen, aber dann habe ich es ihnen erzählt. Aber wir haben uns damals entschlossen noch nichts zu tun. In der Folgezeit habe ich über vieles geschwiegen. Es war mir so peinlich. Und in der Schule wurde es immer schlimmer. Ich wurde herumgeschubst und sie hatten sich einen Spitznamen für mich ausgesucht. Ich bin nicht in der Lage ihn hier niederzuschreiben. Ich kann es nicht. Bis heute nehme ich das Wort nicht in den Mund und versuche nie daran zu denken. Wenn ihn irgendjemand ausspricht kommt alles wieder hoch und ich werde aggressiv. Dann wurde ich zum zweiten Mal von seiner Bande angegriffen. Dieses Mal waren sie zu dritt oder zu viert. Ich weiß es nicht mehr, auch nicht, was genau passiert ist. Aber diesen Vorfall haben wir dann der Schulleiterin gemeldet. Die versprach zwar etwas zu tun, aber geholfen hat nichts. Ein paar Tage war es etwas besser und dann war es wieder wie vorher. Sie hat mich noch nicht einmal dazu befragt, sondern einfach nur ein bisschen mit ihm geredet. Noch schlimmer als auch meine Mitschüler und „Freunde“ anfingen diesen Spitznamen aufzugreifen und anfingen weitere Versionen davon zu erstellen und mich mit diversen Sprüchen beleidigten. Irgendwann kam der dritte Angriff. Diesmal war er allein. Es verfolgte mich auf dem Schulweg. Dann haben wir uns auf offener Straße geprügelt und alle haben zugeschaut wie er mich fertig machte. Die Nachbarn, die Briefträgerin. Alle. Und keiner hat etwas unternommen. Nach diesem Ereignis habe ich ihn schließlich angezeigt. Ihn und seine Bande. Es tat so weh zu erfahren, dass alle außer er straffrei davon kommen, weil sie noch nicht strafmündig waren. Schließlich wurde von der Staatsanwaltschaft ein Täter-Opfer-Ausgleich vorgeschlagen, dem ich zugestimmt habe. In einem dieser Gespräche wurde ich auch gefragt, was ich getan hätte, wenn ich irgendeine Waffe gehabt hätte. Ich antwortete damals, dass ich es nicht wüsste. Insgeheim wusste ich es doch. Hätte ich ein Messer gehabt, hätte ich auf ihn eingestochen. Ich hätte ein Verntil für meinen ganzen Schmerz, diese ganzen Erniedrigungen und Kränkungen gehabt. Jetzt ist zwischen mir und ihm seit Jahren Ruhe. Wenn irgendwelche Mitglieder seiner Bande mich sehen, kommt es noch zu Wortgefechten, aber nicht zu mehr. Dennoch suche ich wenn ich irgendjemanden von denen sehe immer noch das Taschenmesser in meiner Tasche. Soviel tief stecken diese Erlebnisse in mir drin und auch wenn es seit Jahren zu keiner Konfrontation zwischen mir und ihm gekommen ist und auch sicher nie wieder dazu kommen, so konnte ich z.B. heute im Supermarkt nicht an ihm vorbei gehen. Ich konnte es einfach nicht. Ich bin als einige Meter vor ihm war in einen Gang eingebogen. Ich konnte nicht anders.

Ein Gedanke zu „Meine Erinnerungen

  1. Ich habe schon öfters gehört, dass es nicht viel nutzt, wenn Lehrer oder Direktor mit den Tätern sprechen, sie schliessen sich meist noch mehr zusammen, machen sich lustig und rächen sich dafür, dass man sie „verpfiffen“ hat.
    Die Konsequenzen für die Täter nicht so gut, dass sie eine Lehre daraus ziehen.

    Mein Mann hatte als Junge auch erleben müssen, dass sich einer lustig über ihn machte. Bevor der andere aber Freunde zusammensuchte, um die auch noch aufzuhetzen, hat mein Mann sich den Kerl auf dem nach Hauseweg geschnappt. Er zerrte ihn vom Rad runter, warf seine Schultasche und die Pfütze und verkloppte ihn mit dem Gürtel.
    Nie wieder hatte der andere gewagt, irgendwie zu mobben oder andere zum Mobben zu gewinnen. Deshalb denke ich, dass es wichtig ist, diese fiese Art der anderen schon im Keime zu ersticken.

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