Der Krieg der Klassenlehrerin

Lena ist 18 und besucht die 12. Klasse eines Gymnasiums. Sie ist eine fleißige Schülerin, die das Abitur anstrebt (G9). Daneben ist sie auch im Streitschlichterprogramm der Schule engagiert, das von der Klassenlehrerin betreut wird.

Da Lena das Abitur wichtig ist, scheidet sie aus dem Streitschlichterprogramm aus, um mehr Zeit zum Lernen zu haben. Desweiteren zieht sie mit einer Freundin in eine gemeinsame Wohnung, mit Billigung und Unterstützung ihrer Eltern. Kaum hat sie ihren Ausstieg aus dem Streischlichterprogramm verkündet, beginnt die Klassenlehrerin mit missionarischem Eifer einen Feldzug gegen Lena.

Sie lässt absolut keine Gelegenheit aus, um Lena vor der Klasse zu demütigen und fertig zu machen. Mit herablassender Arroganz wird sie in jeder Stunde vorgeführt. Selbst die Mitschülerinnen und Mitschüler beobachten das perfide Spiel mit großem Erschrecken. Klärende Gespräche werden von der Lehrerin abgelehnt, die Schulleitung (64J) ist desinteressiert. Damit nicht genug. Vom Vertrauenslehrer und von anderen Lehrern erfährt Lena, dass die Klassenlehrerin auch im Kollegium massiv Stimmung gegen sie macht. Sie erwartet, dass Lena schlecht benotet wird, damit sie die Punktzahl fürs Abitur nicht erreicht.

Lena geht es immer schlechter und bleibt deswegen gelegentlich zuhause, um neue Kräfte zu sammeln. Die Klassenlehrerin unterstellt ihr, sie würde simulieren. Es kommen Andeutungen der Art, dass ihr Prtivatleben sie so fordern würde, dass sie nicht in die Schule kann. ( Sie weiß, dass Lena nicht bei den Eltern wohnt.) Das Ganze gipfelt darin, dass die Klassenlehrerin der Ansicht ist man könne und müsse Lena den Status als Schülerin aberkennen.

(Anmerkung: Mit 18 endet die gesetzliche Schulpflicht. Sie meinte wohl, man könne Lena einfach so aus der Schule werfen. Dem steht allerdings das Recht auf Bildung entgegen, das in jeder Landesverfassung und in jedem Schulgesetz verankert ist.)

Jüngere Kolleginnen und Kollegen an dieser „Musterschule“ werden systematisch ausgegrenz und gemobbt, wenn sie sich für Lena einsetzen. Nicht nur deswegen ist die Versetzungsrate überdurchschnittlich hoch.

Einschätzung

Das Kollegium an der Schule ist überaltert und lebt mit der Vorstellung „früher war alles besser.“ Menschlichkeit, Würde, Wertschätzung haben an dieser Schule keinen Platz mehr. Das System wird dafür benutzt, um Macht auszuüben. Lehrerfrust führt zu Missbrauch mit dem Recht des Stärkeren. Schüler werden gedemütigt und unter massiven Druck gesetzt. Eine Ausnahme macht die Schule, nämlich dort, wo einzelne Schüler den überzogenen Anforderungen der Lehrer gerecht werden.

Schule ist ein Ort des Lernens und so sollte auch die Organisation der Schule sein. Es gibt so genannte nicht lernende Schul-Organisationen und lernende Schul-Organisationen. Nicht lernende Schul-Organisationen (Kasper 1998, S217) 1) haben u.a. folgende Merkmale:

Viele und starre Regeln, strenge Kontrollen, Unterdrückung oder Eliminierung abweichender Meinungen, Strenge Fehlerbewertung, kühle, feindselige Atmosphäre, Ablehnung der Teamarbeit, wenig Fortbildungsbereitschaft, Konkurrenzdenken u.v.m.

Lena wäre eine lernende Schulorganisation zu wünschen. Lernende Schul-Organisationen (Kasper 1998, S217) haben u.a. folgende Merkmale:
Wenige und flexible Regeln, Kontrollen werden auf das Notwendigste beschränkt, abweichende Meinungen werden begrüßt, Toleranz gegenüber Fehlern,
offene und freundliche Betonung der Kollegialität und der Zusammenarbeit, schulinterne Fortbildungen, Gesprächsbereitschaft zur Lösung von Problemen u.v.m.

1) Kasper, Horst    Mobbing in der Schule. Probleme annehmen; Konflikte lösen    Beltz Weinheim/ Basel 1998

Lösung

Und Lena? Sie zieht in eine andere Stadt, besucht dort ein anderes Gymnasium und wird freiwillig die 12. Klasse wiederholen, dem alten Gymnasium sei Dank.